zu Besuch beim Mythos, Philosoph und Künstler im Piemont
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Wer gerne Grappa trinkt, wird eines Tages unweigerlich auf den Namen "Romano Levi" stoßen. So hörte ich erstmals am 26.01.2001 von diesem Mann, der in Neive - einem kleinen beschaulichen Städtchen zwischen Asti und Alba - seinen Grappa brennt. Nach einem Zweitligaspiel von Waldhof Mannheim gingen wir italienisch essen. Und dort passierte es; der Wirt war ein Grappa-Sammler. Wir kamen ins Gespräch, er zeigte mir seine Sammlung und erzählte von Romano. Abschließend schenkte er mir ein empfehlenswertes Buch vom Photografen Reinhard Hund, welches diesem Grappaioli - wie es keinen zweiten geben wird - gewidmet ist. Nach diesem besagten Abend wollte ich solch einen Grappa kaufen. Erst jetzt bemerkte ich, auf welche Schwierigkeiten man hierbei stößt. Entweder ist dieser Grappa dem Händler nicht bekannt, oder man erhält ein verzücktes Lächeln mit dem Hinweis, daß man leider keinen Grappa von Levi vorrätig hat. Sollte man mit Glück doch auf eine Flasche stoßen, so werden hierfür Preise verlangt, die jenseits von "Gut und Böse" liegen. Doch was macht das Besondere dieses Grappa aus und warum ist dieser mittlerweile weltberühmte Tropfen so schwer zu bekommen? Die Antwort auf diese Fragen erklärt die Biographie von Romano Levi. Seine Schwester ist eine von schweren Depressionen gezeichnete Frau, seine Mutter kam bei einem Luftangriff im zweiten Weltkrieg ums Leben und sein Vater Serafino, der die Brennanlage hat bauen lassen, starb als Romano fünf Jahre alt war. Mit siebzehn Jahren übernahm Romano das Brennen des Grappa - bis dahin führten nach dem Tod seines Vaters zwei junge Männer aus der Region Valtellina die Brennerei weiter. Der Tradition verbunden, wird der Trester über direktem Feuer erhitzt - nur noch wenige beherrschen diese Kunst. Das Resultat ist dieser Grappa, der sicherlich nicht zu den reinsten und besten Grappa gehört - der aber weiterhin nach einer alten Methode hergestellt wird. Zunächst wurden die Flaschen mit gedruckten Etiketten versehen. Irgendwann begann Levi die Etiketten selbst herzustellen. Hierzu riß seine Schwester ein Stück Papier von einem Blatt ab, Levi verzierte mit Bild und Text, in welchem u.a. der Name seines Vaters fortbesteht, handschriftlich das Etikett. Somit wurde jede Flasche zu einem Unikat. Da Romano Levi seine jährlich begrenzten Flaschen nicht über den Handel vertreibt, ist zum Erwerb des Destillates der Besuch bei Levi erforderlich. Und von Besuchern hört man die unterschiedlichsten Geschichten. So soll der zurückgezogen lebende Levi - wie viele Künstler - sehr eigenwillig sein, mitunter Besuchern keinen Einlaß gewähren und somit auch nicht bereit sein, eine Flasche seines Grappa zu verkaufen. Wir wollten es wissen: So flogen wir nach Bergamo, mieteten uns einen Wagen und fuhren ins Piemont. Unser Weg führte uns in Romano's romantischen Heimatort Neive. Dort angekommen, fanden wir sehr schnell - dank einer hervorragenden Ausschilderung - unsere zuvor per Internet gebuchte Unterkunft: L'AROMATARIO. Ein wunderschönes Haus in alten Ortskern von Neive, welches von Rita Pastura liebevoll geführt wird. Insgesamt stehen vier Doppelzimmer zur Verfügung, die mit Frühstück zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis angeboten werden. Darüberhinaus befindet sich im Haus die Enoteca, wo regionale Getränke und Speisen angeboten werden - ebenfalls recht preiswert! Am nächsten Morgen wollten wir Romano Levi besuchen. Aufgrund diverser Berichte wußten wir, daß das unscheinbare Haus an der Hauptstraße liegt, ansonsten aber nichts auf die Wiege des berühmten Grappa schließen läßt. Lediglich der Hinweis auf ein gegenüberliegendes Weingut war ein Anhaltspunkt, der schließlich zum Erfolg führte. Wir fanden ein Haus - keine Beschriftung auf der Klingel, kein Briefkasten, der die hier lebenden Personen verriet. Lediglich im Hinterhof deuteten die getrockneten Tresterreste an: hier könnte es sein... Beim Drücken des Klingelknopfes hatte ich ein komisches Gefühl. Was würde uns erwarten, sind wir hier tatsächlich richtig, dürfen wir eintreten, haben wir die Chance die Brennerei zu sehen, verkauft uns Levi eine Flasche seines Grappa, hat sich der lange Weg gelohnt? Ein Mann kam vom Hinterhof - es war nicht Levi. Er kam mit zügigen Schritten zum Eisentor und bevor Martina ihr zuvor eifrig gelerntes italienisch anwenden konnte, erklärte uns dieser Mann, daß Levi beim Zahnarzt sei. Wir könnten allerdings zu einem späteren Zeitpunkt nochmals vorbeischauen, dann wird er da sein. So gingen wir - einerseits erfreut über die Info, daß wir das richtige Haus gefunden hatten - andererseits sollten die zuvor gestellten Fragen zunächst unbeantwortet bleiben. Nach einem Ausflug in die nahe Umgebung und einem Bummel durch das wunderschöne Alba, fuhren wir erneut zu dem Haus. Erneut gingen wir mit Grummeln im Bauch zu dem Eisentor - doch diesmal brauchten wir nicht klingeln. Ein beleibter Mann stand auf dem Hof direkt vor dem Tor, welches er nachdem er uns sah sofort öffnete. Romano Levi kam aus dem Haus, begrüßte uns freudig und aufgeschlossen indem er unsere Hände schüttelte. Martina stellte uns auf italienisch vor; daß wir aus Deutschland kommen, um ihn zu besuchen. Er sagte zwei Worte auf deutsch, hieß uns willkommen und lud uns ein, mit einem Mitarbeiter von ihm die Brennerei zu besichtigen. Da waren wir nun. Es war alles so unwirklich: die kleine Brennerei, der Ofen, die zahlreichen Bilder und Gegenstände in diesem Raum. Nach einer Grappaprobe wurden wir gefragt, ob jeder von uns eine Flasche kaufen möchte. Mehr seien nicht zu kaufen, da Romano dieses nicht möchte und er sich nun erst hinsetzt, um das Etikett für die zwei Flaschen zu fertigen. Wir wurden in sein Arbeitszimmer gebeten und wechselten mit ihm einige Worte auf deutsch und italienisch. Er zeigte uns die Flaschen, packte diese in altem Zeitungspapier ein und schrieb uns noch eine persönliche Widmung. Fazit: Wir verbrachten wunderschöne Tage im Piemont. Die Gegend ist immer einen Besuch wert - erst Recht für Feinschmecker, Wein- und Grappafreunde. Die Gastfreundschaft war überwältigend und gipfelte für uns im Besuch von Romano Levi, der sympathischen Grappalegende aus Neive. Er hat einen Mythos geschaffen, der mittlerweile Kultstatus erreicht hat - auch als Künstler und Philosoph.
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Neive - das kleine verträumte Städtchen
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L'AROMATARIO - unser Domizil in Neive
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Abendstimmung in den Weinbergen des Piemont
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der große Moment - empfängt uns Romano Levi?
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die Brennerei - hier entsteht der berühmte Tropfen
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Romano Levi beim Schreiben ...
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... einer persönlichen Widmung
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Jeder Grappa - Jede Flasche - Ein Unikat
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