Ein Trainingslager der ganz besonderen Art – Norddeutschlands Top-Schiedsrichter in Belek

 

Spitzen-Schiedsrichter im Trainingslager in Belek / Sport, Theorie und Soziales / Hilfe für die Kinderstation des Krankenhauses in Antalya

70 Sportler aus ganz Norddeutschland – das ist der bisherige Teilnehmerrekord. Unter anderem mit dabei: Aktive Spitzen-Schiedsrichter von der Oberliga bis zur Bundesliga, darunter Erstliga-Referee Peter Gagelmann (Bremen) oder der Zweitliga-Unparteiische Thorsten Schriever (Cuxhaven), aber auch die Vorsitzenden der vier norddeutschen Schiedsrichterausschüsse, der Vorsitzende des norddeutschen Schiedsrichter-Ausschusses Wilfried Heitmann, sehr viele Schiedsrichter-Beobachter und nicht zuletzt der Präsident des Norddeutschen Fußballverbandes,

 

vor dem Hotel "Papillon Belvil" 

Dieter Jerzewski. Genau diese Mischung aus aktiven Unparteiischen, Beobachtern und Funktionären war es, die unter allen Teilnehmern besonders gut ankam – speziell, weil in den sieben Tagen Belek auch mehr Zeit für Kommunikation, Kontakt und das Kennenlernen untereinander da war als auf den normalen Tageslehrgängen in Deutschland. „Wir haben viel mehr Zeit für die verschiedenen Programmpunkte, auch für konzentrierte Einzelgespräche“, lobte etwa Wolfgang Mierswa, Vorsitzender des niedersächsischen Schiedsrichter-Ausschusses.

 

Und Wilfried Heitmann, Vorsitzender des Norddeutschen Schiedsrichter-Ausschusses, sagte in Belek: „Es gibt hier eine intensive Kommunikation zwischen allen Teilnehmern. Junge Schiedsrichter profitieren von der Erfahrung der älteren Referees, aktive Unparteiische haben die Gelegenheit zu einem engen Kontakt mit den Beobachtern, deren Rolle es ist, unsere Spitzen-Schiedsrichter konstruktiv zu kritisieren, ihre Leistung zu optimieren.“ Diese Vernetzung zwischen jungen und erfahrenen Unparteiischen, Obleuten, Beobachtern, aber auch weiteren Fußball-Funktionären und der Sportpolitik müsse in den kommenden Jahren weiter vorangebracht werden, so Norddeutschlands Schiedsrichter-Obmann. Dass zu einem Top-Schiedsrichter der Oberliga,

Regionalliga oder Bundesliga mehr gehört als die reine Regelkenntnis, sondern auch Persönlichkeit – unter dieser Leitlinie stand das gesamte Programm der sieben Tage Belek. So demonstrierte zum Beispiel Niedersachsens Verbands-Schiedsrichter Lehrwart Bernd Domurat (Wilhelmshaven), selbst ehemaliger Zweitliga-Referee, anhand aktueller Spielszenen der ersten und zweiten Bundesliga, dass das Schiedsrichter-Team sich auch seiner Außenwirkung bewusst sein muss. Bernd Domurat: „Neben unseren richtigen Entscheidungen spielen Auftreten, Souveränität und Persönlichkeit entscheidende Rollen für eine gelungene Spielleitung.“

 

Mit Markus Strobel aus Konstanz hatten die norddeutschen Schiedsrichter erstmals einen Unternehmensberater und Coach mit dabei, der anhand praktischer Beispiele die Unparteiischen auf ihre Wirkung auf ihre Mitmenschen hinwies und den einen oder anderen zu einer Selbstüberprüfung oder Verhaltensänderung motivierte. Denn, so Markus Strobel: „Das, was unser Geist denkt, drückt unser Körper aus!“ Und eine möglichst optimale Außenwirkung fange mit so genannten „Kleinigkeiten“ wie Mimik, Gestik, Blickkontakt, Atemtechnik, Handhaltung oder dem Einsatz der eigenen Stimme an.

Holger Wohlers, Verbands-Schiedsrichter-Lehrwart aus Schleswig-Holstein, nahm sich in Belek anhand von Rollenspielen der Teilnehmer dem besonderen Verhältnis zwischen Schiedsrichtern und Schiedsrichter-Beobachtern an. Erarbeitet wurden von den aktiven Schiedsrichtern und den Beobachtern die gegenseitigen Erwartungen – mit einem sehr positiven Ergebnis. Holger Wohlers: „Ich freue mich, dass so viele Beobachter am Trainingslager teilgenommen haben. So konnte in der Gruppenarbeit, aber auch in vielen Einzelgesprächen das gegenseitige Verständnis erhöht werden. Meiner Ansicht nach haben in diesen sieben Tagen die aktiven Schiedsrichter noch mehr als bisher akzeptiert, dass die helfende, konstruktive Kritik der erfahrenen Beobachter ganz einfach dazu gehört, um die eigene Lei-

stung weiter zu optimieren.“ Ein Schwerpunkt bildete im Trainingslager an der türkischen Riviera die körperliche Fitness: Die täglichen sportlichen Einheiten unter der Leitung des Kieler Sportmediziners und Orthopäden Dr. Bernd Brexendorf und des Bremer Physiotherapeuten Klaus Gunkel, angefangen mit dem frühmorgendlichen Strandlauf, gehörten für viele Teilnehmer zu Höhepunkten des gesamten Programms.

Sicherlich waren diese optimal aufeinander abgestimmten Trainingseinheiten mit eine Voraussetzung für die sehr guten Ergebnisse, die die Schiedsrichter während der verschiedenen Leistungstests erzielten. Dass das Wetter sechs Tage lang mit strahlendem Sonnenschein und mehr als 18 Grad in der Sonne auch noch mitspielte, war das angenehme i-Tüpfelchen einer gelungen Türkei-Fahrt.

Genau diese Trainingseinheiten waren wohl auch der Garant für den ersten Sieg der norddeutschen Schiedsrichter gegen die türkischen Unparteiischen im traditionellen Fußballspiel: Nach dem 2:2 des Jahres 2000, der 2:4-Niederlage des Jahres 2004 kamen die NFV-Schiedsrichter unter der souveränen Leitung des Frauen-Schiedsrichter Teams um Kathrin Meingast (Büdelsdorf, Schleswig-Holstein) und den Assistentinnen Silke Lüken und Sandra Höllman (beide Niedersachsen) unter dem frenetischen Jubel der deutschen Fans auf der Tribüne zu einem am Schluss etwas zu hohen 10:2-Erfolg gegen die türkischen Kollegen – das Trainer-Duo Brexendorf/Gunkel war sichtlich zufrieden. Dieser Aus-

wärtssieg der Norddeutschen tat den intensiven Kontakten mit den türkischen Schiedsrichtern keinen Abbruch: Beim Abendessen wurden die persönlichen Beziehungen, die zum Teil schon 2000 und 2004 aufgebaut wurden, intensiviert – und da spielte dann auch die eine oder andere Sprachbarriere bald keine Rolle mehr: Wo die Vokabeln fehlten, wurde sich einfach „mit Händen und Füßen“ unterhalten.

 

Ein bewegender Teil des Programms war der Besuch einer norddeutschen Schiedsrichter-Delegation in der Kinderstation des Krankenhauses von Antalya. Die Kinder leiden dort an einem im Mittelmeerraum häufiger auftretenden, erblich bedingten genetischen Defekt, der zur Blutarmut, der so genannten Sichelzellenanämie, führt. Die NFV-Vertreter überreichten medizinische Hilfsgüter für das Krankenhaus, eine finanzielle Unterstützung und Geschenke für die Kinder.

Der Vorsitzende des Hamburger Verbands-Schiedsrichter-Ausschusses, Wilfred Diekert, sagte: „Der Besuch im Krankenhaus und der Anblick der Kinder, die sich so sehr über unsere Geschenke gefreut haben, ist allen sehr nahe gegangen. Dies zeigt uns, welch hohen Standard wir in Deutschland genießen dürfen und dass es sehr viele Gegenden auf der Welt gibt, in denen es den Menschen bei Weitem nicht so gut geht. Ich denke, das ist für jeden Schiedsrichter eine wichtige Erfahrung.“ Dieser soziale Aspekt sorgte auch für großes Interesse bei vielen türkischen Medien: Zahlreiche Tageszeitungen berichteten über die Hilfsaktion, und sogar den Hörfunk- und Fernsehnachrichten war die Hilfe des Norddeutschen 

Fußball-Verbandes, die es seit nunmehr sieben Jahren gibt, vier Minuten wert. Den Tenor brachte eine große türkische Tageszeitung in ihrer Schlagzeile auf den Punkt: „Die norddeutschen Fußball-Schiedsrichter reichen den kranken Kindern ihre Hand.“

 

70 Teilnehmer, darunter 14 Frauen: Diese für die „Männerdomäne“ Fußball, und besonders für den Bereich des Schiedsrichterwesens, hohe Frauenquote, stieß bei allen Beteiligten auf große Zustimmung und Resonanz. Und die Spitzen-Schiedsrichterinnen, die bis in den Bereich des DFB und der FIFA im Einsatz sind, zeigten hervorragende Leistungen.

Norddeutschlands Schiedsrichter-Obmann Wilfried Heitmann: „Unsere Frauen haben auf positive Weise demonstriert, dass sie in Spielleitung, körperlicher Fitness und in der Persönlichkeit mit den Männern mithalten können und zu Recht anerkannt sind. Sie haben gezeigt, dass Leistung sich lohnt. Wir reden im Norden nicht nur über die Förderung und Einbindung der Frauen in den Schiedsrichterbereich – wir handeln!“ Wilfried Heitmann 

Schiedsrichterinnen mit Klaus Gunkel 

verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass, sofern noch nicht geschehen, in die Schiedsrichter-Ausschüsse aller vier norddeutschen Landesverbände sowie in den Norddeutschen Schiedsrichter-Ausschuss Frauen eingebunden werden, um sich um die speziellen Belange der aktiven Schiedsrichterinnen und die  Frauenförderung zu kümmern. 

 

 

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Sieben Tage Belek – für alle Teilnehmer verging die Woche wie im Flug. Und so brachte es Georg Winter, Vorsitzender des Bezirks-Schiedsrichter-Ausschusses Weser-Ems, für alle Teilnehmer auf den Punkt: „Wir warten auf 2010!“ Die Planungen dafür sollen auf jeden Fall schon in vollem Gange sein…

Marco Haase

                                    

 

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